Energie: Engpassfaktor Wasserstoff

Die Transformation der energieintensiven Industrie in Richtung Klimaneutralität kann ohne eine rasche und flächendeckende Versorgung mit grünem Wasserstoff nicht gelingen. Eine Studie im Auftrag von IHK-NRW zeigt jetzt, dass die bisherigen Planungen zur H2-Leitungsinfrastruktur wichtige Teile der Kreise Soest und Hochsauerland unversorgt lassen.

NRW hat das ehrgeizige Ziel, zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas zu werden. Dazu benötigen die energieintensiven Unternehmen Planungssicherheit für Investitionen in energetische Prozesse. Insbesondere der industrielle Mittelstand blickt aktuell voller Sorge auf die Wasserstoffpläne, denn laut nationaler Wasserstoffstrategie soll erst ab 2032 die Infrastruktur für eine H2-Versorgung aufgebaut sein. Das gilt ganz besonders für die heimische Region.

Eine von IHK NRW bei der Neuman und Esser Green GmbH beauftragte Kurzstudie „Engpassfaktor Wasserstoff: Anforderungen an die Wasserstoffversorgung für die Industrie in Nordrhein-Westfalen“ zeigt das Dilemma gerade für ländliche Regionen auf. Am Beispiel unterschiedlicher Unternehmen weist die Untersuchung nach, dass die Versorgung der Unternehmen mit Wasserstoff ohne die Anbindung an das Wasserstoffleitungsnetz vielfach nicht möglich ist. Die Belieferung mittels Trailer ist meist nur in einem Radius von 20 km ökonomisch vertretbar. Eine dezentrale Elektrolyse am Unternehmensstandort ist oft unwirtschaftlich. So ergeben sich vor allem für große Teile Südwestfalens weiße Flecken. Dabei zählt die Region zu den industriellen Kernen in NRW mit einem hohen Anteil mittelständischer und zugleich energieintensiver Unternehmen. Wer auf Nummer sicher gehen will, wird zum derzeitigen Stand jedoch notwendigerweise auf Elektrolyseure setzen müssen. In der folgenden Darstellung finden sich die dargestellten Investitions-, Betriebs- und Grenzkosten der drei möglichen Varianten.

IHK NRW/Neumann&Esser
Foto: IHK NRW/Neumann&Esser


Der Handlungsdruck ist dementsprechend groß:
„Wasserstoff ist für viele Unternehmen der Energieträger der Zukunft, ist vor allem für Prozesse im Hochtemperaturbereich unverzichtbar“, sagt Jörg Nolte, Hauptgeschäftsführer der IHK Arnsberg. Die bisherigen Planungen für die Wasserstoff-Leitungsinfrastruktur reichten allerdings nicht aus. „Eine ganze Reihe energieintensiver Unternehmen liegt gerade in unserer ländlichen Region abseits des wasserstofffähigen Kernnetzes“, sagt Nolte und fordert eine stärkere Abdeckung durch den Ausbau des Verteilnetzes. Versorgungslücken ergeben sich den Erkenntnissen der Studie zufolge im nordöstlichen Kreis Soest (Lippstadt, Erwitte, Geseke) sowie im südlichen Hochsauerlandkreis (Eslohe und Schmallenberg).

Eigene Darstellung
Foto: Eigene Darstellung


Handlungsempfehlungen und Kernforderungen

Auf Grundlage der Ergebnisse der durchgeführten Kurzstudie hat IHK NRW acht Kernforderungen für eine wirtschaftsgerechte Planung und Einführung von Wasserstoff:

  • Verteilnetzplanung muss parallel zur Kernnetzplanung beginnen
  • Wirtschaftlichkeit in den Fokus
  • Infrastrukturplanung nicht ohne den Mittelstand
  • Erleichterungen für „First Mover“ notwendig
  • Wasserstoffbedarfe und Stromerzeugungspotenziale regional clustern
  • Technologieoffenheit bei der Defossilisierung
  • Biomethan als Sofortmaßnahme und Brückentechnologie
  • Keine vorschnelle Stilllegung von Gasverteilnetzen