IHK-Jahresempfang 2021

Jahresempfang 2021 mit Dr. Wolfgang Schäuble
Foto: Wolfgang Detemple
IHK-Präsident Andreas Rother, Dr. Wolfgang Schäuble (ehemaliger Bundestagspräsident), Alexander Hennecke (stev. Hauptgeschäftsführer der IHK Arnsberg).

Politik vor großen Herausforderungen

Er hielt, was sein Kommen versprach. Kurzweilige 45 Minuten lang zog Dr. Wolfgang Schäuble die 380 Gäste beim IHK-Jahresempfang Ende Oktober in Soest in seinen Bann. Ob nun der Ausgang der Bundestagswahl mit der Niederlage seiner Partei, Nachhaltigkeit und Klimawandel, die Herausforderung der Demografie oder europäische Wirtschafts- und Währungspolitik, kaum ein politisches Themenfeld ließ der frühere Bundestagspräsident und Minister zahlreicher Ressorts bei seiner Analyse aus.

IHK-Präsident Andreas Rother begrüßte den Gast aus Berlin als jemanden, der Geschichte geschrieben hat und dessen Wort auch ohne hohes politisches Amt über Parteigrenzen hinweg Gewicht hat. Andreas Rother lobte vor allem Schäubles Rolle im deutschen Einigungs- sowie im europäischen Integrationsprozess. Angesichts der anstehenden Herausforderungen brauche Deutschland Politiker wie ihn, so der IHK-Präsident.

Wolfgang Schäuble machte gleich zu Beginn seiner Ausführungen mit dem Rückblick auf die Bundestagswahl deutlich, dass er auch seine CDU bei der Analyse nicht schonen werde. Der Regierungswechsel in Berlin sei nicht „furchtbar aufregend“, schließlich gehöre der Wechsel zur Demokratie dazu. Ursächlich für die CDU-Niederlage seien weniger die Kandidatenauswahl noch die Ungeschicklichkeiten im Wahlkampf gewesen. Vielmehr habe es eine gewisse Erschöpfung mit der bisherigen Regierung gegeben.

Die CDU sei nun gut beraten, zügig die Oppositionsrolle anzunehmen und vor allem die offenen Personalfragen zu klären. Denn aus der Erfahrung wisse man, dass sich die Öffentlichkeit erst dann mit Inhalten auseinandersetzen werden, wenn das Personal feststehe. Den drei Parteien der „Ampel“ zollte Schäuble Respekt. Bis jetzt hätten es diejenigen, die sich auf den Weg gemacht haben, eine Regierung zu bilden, „im Stil und in der Form gut gemacht“. Da könne sich auch seine Partei ein Stück von abschneiden. Wie zuvor schon IHK-Präsident Andreas Rother betonte auch Wolfgang Schäuble, dass alle ein Interesse daran haben, dass die Regierung erfolgreich arbeite.

Aufgabe der Politik in einer parlamentarischen Demokratie müsse sein, auch zu sagen, was notwendig ist und die Konzentration auf die wirklich wichtigen Themen legen. Die größte Bedeutung habe aktuell das Klima, das in seiner ganzen Dramatik über viele Jahre nicht hinreichend ernst genommen worden sei. Die Erderwärmung mit all ihren Folgen sowie der Verlust der Artenvielfalt könne vielleicht verlangsamt, aber nicht so leicht rückgängig gemacht werden. „Wir können das, was dort stattfindet in der Dramatik gar nicht ernst genug nehmen“, sagte Schäuble. Der CDU-Politiker rät, die ökologische Nachhaltigkeit in einem sehr viel stärkeren Maße ernst zu nehmen, „als wir das vielleicht in den letzten Jahrzehnten getan haben“. Bei der Bewältigung dieser Herausforderung gehe es nicht um Verbote, Verzicht oder symbolische Akte. Vielmehr müsse auf modernste Technologien und Forschung gesetzt werden. Nicht die klügsten Regierungen könnten Wege finden, um die Zerstörung des Planeten durch die Menschheit zu verhindern. Dafür brauche es die Innovationskraft des Marktes, der die besseren Lösungen hervorbringe. Wer glaube, man könne Umweltschutz gegen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in Stellung bringen, mache schon alles falsch. Es gehe nur miteinander, so Wolfgang Schäuble.

Die Politik habe ihre Ziele, gerade auch die Umweltziele in die Ferne gelegt, so „dass die allerwenigsten Politiker, die diese Ziele formulieren damit rechnen müssen zu diesem Zeitpunkt noch im Amt zu sein“. Der frühere Bundesfinanzminister widersprach denjenigen, die Geld für ein unbegrenzt verfügbares Gut halten. Die Funktionen des Geldes seien nur gegeben, wenn es begrenzt zur Verfügung steht. Jede Freiheit zerstöre sich durch die Illusion der Grenzenlosigkeit. Die damit geschaffene Inflation sorge für ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft. Es sei nicht zu erkennen, warum die Inflation derzeit zurückgehen solle. Mit zunehmender Inflation sinke das Vertrauen in das wirtschaftliche System. Somit müsse auch auf eine nachhaltige Finanzpolitik geachtet werden. „Wer eine grüne Null will, muss auch für eine schwarze Null eintreten“.

Wolfgang Schäuble unterstrich die Bedeutung der Zuwanderung. Die zugewanderten Menschen müssten allerdings so integriert werden, dass sie sich wohl und sicher fühlen. Das sei nicht immer eine Frage finanzieller Unterstützung. Gerade den jungen Menschen müssten gute Perspektiven geboten werden, damit sie in der Zukunft ihren gesellschaftlichen Beitrag leisten können.

Wolfgang Schäuble ging auch auf die Flüchtlingssituation in Europa ein. Schon lange beschäftige er sich mit dem Thema Steuerung von Migration und der damit einhergehenden Zerrissenheit der Politik., Flüchtlinge seien selbstverständlich anständig und menschenwürdig zu behandeln, aber nicht jeder könne nach Europa oder Deutschland kommen. Das sei das Dilemma von Politik. Wir müssten dafür sorgen, dass Menschen, die nicht aufgenommen werden können, in ihre Heimatländer oder deren Nachbarländer zurückgebracht werden und dort „mit mehr Aufwand als bisher“ dafür sorgen, dass sie lebenswürdige Bedingungen finden. Alles andere werde uns zerreißen. Auch Mauern und Stacheldraht seien keine Lösung, sagte Schäuble und fügte augenzwinkernd an, zumal Planungs- und Genehmigungsverfahren dies verhinderten. Die Rückführung könne Deutschland allein nicht leisten, aber Europa könne und müsse das leisten. In diesem Zusammenhang unterstrich Schäuble auch die Verantwortung Europas für Afrika. Mit Blick auf die USA betonte Schäuble, dass Europa und die USA gemeinsame Werte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verbinden. Nur im Bündnis mit Amerika könne sich den totalitären Regimen dieser Welt entgegengesetzt werden. Dabei sei ein einiges stärkeres Europa wichtig. Auch die deutsche Demokratiemüsse gestärkt werden. Der Parlamentarismus lebe davon, dass Politiker beauftragt werden, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Es sei aber nicht erforderlich, dass jede Gruppierung entsprechend der gesellschaftlichen Bedeutung im Parlament vertreten sei. Vielmehr stehe jeder Abgeordneter für die Interessen aller.

Abschließend brach Wolfgang Schäuble eine Lanze für das gesellschaftliche Engagement in Parteien, Kirchen, Vereinen und caritativen Vereinigungen. Auch die IHK sei nicht nur für das wirtschaftliche Wohlergehen der Mitglieder wichtig, sondern ein Teil des erforderlichen Geflechts, das unsere Freiheit nachhaltig stabil macht.


Impressionen vom Jahresempfang der IHK Arnsberg mit Gastredner Dr. Wolfgang Schäuble.

Alle Fotos: Wolfgang Detemple